Eines der ältesten erhaltenen Rathäuser am Niederrhein wird zurzeit saniert und zukunftstauglich gemacht. Das spätgotische Rathaus Rheinberg stammt aus dem Jahr 1449 und steht als historisches Denkmal zentral auf dem Marktplatz der Stadt Rheinberg. Dabei handelt es sich um ein dreistöckiges Backsteingebäude mit einem Zwiebelturm, das bisher unter anderem als Verwaltungsgebäude, Festsaal und Gefängnis diente. Die Sanierung wird im Sinne einer Umnutzung hin zu einer soziokulturellen Nutzung durchgeführt.
Wir wurden mit der Tragwerksplanung und der bauphysikalischen Begleitung beauftragt und führten eine umfassende Schadensaufnahme des Bestandstragwerks durch.
Nach umfassenden Rückbau- und Entkernungsarbeiten wird das alte Rathaus momentan kernsaniert und um einen gläsernen Anbau an der Süd-Westfassade erweitert. Dieser enthält ein zweites Treppenhaus und einen Aufzug, wodurch alle Geschosse barrierefrei und über Flucht- sowie Rettungswege zugänglich sind. Außerdem wird die geplante Gastronomie im Erdgeschoss durch den Glasanbau räumlich erweitert und um Sanitäranlagen ergänzt. Um den Glasanbau an das Bestandsgebäude anbinden zu können ist ein Durchbruch hin zum historischen Ratssaal vorgesehen, in dem ein freigelegtes Gemälde die Decke schmückt.
Der Anbau ist mit fünf Metern in der Tiefe zum Lindenplatz hin vorgesehen. Sowohl die Bodenplatte als auch die Kelleraußenwände sind als wasserundurchlässige Betonkonstruktion geplant, wodurch die Notwendigkeit einer außenliegenden Schwarzabdichtung entfällt. Der Lastabtrag des circa 14 Meter hohen Anbaus erfolgt auf den Fassadenseiten über schlanke Stahlstützen, durch die das Erscheinungsbild der Glasfassade hervorgehoben wird. Besonderes Augenmerk liegt auf einer filigranen Tragkonstruktion für das Glasdach. Hier wurde ein schlankes Fachwerk entwickelt, welches über Stahlverbindungen mit den Stützen und über Auflagertaschen mit dem Altbau verbunden wird. Ebenso werden die Geschossdecken über Auflagertaschen mit dem Bestandsgebäude verbunden. An den Stützen erfolgt die Verbindung der Decke über Kopfplatten mit einbetonierten Bolzen und über in die Decken einbetonierte Stahlträger.
Während den Rückbauarbeiten tauchten an den Grundmauern des Rathauses archäologische Funde auf, die von Expert:innen dokumentiert wurden. Die Archäolog:innen fertigten 3D-Scans und Laserscannings von den Funden an, damit diese auch zukünftig virtuell bestaunt werden können. Außerdem bleiben Teile des alten Gewölbekellers erhalten, die nach der Fertigstellung als Zeugen der Jahrhunderte alten Geschichte dienen werden.
Die Sanierung des Dachs sowie des Inneren ist schon abgeschlossen. So wurde die Turmhaube überarbeitet und mit einer neuen rekonstruierten Spitze ausgestattet. Die alte Turmspitze des Rathauses war eine Holzkonstruktion, die im Laufe der Zeit stark beschädigt wurde. Das neue Tragwerk der Turmspitze wurde als langlebige Stahlkonstruktion entworfen. Auf an dieser primären Tragkonstruktion aus Formstahl wurden Hölzer zur Montage der Unterkonstruktion der Dacheindeckung angebracht. Ebenso wurde der Anschluss des alten Fahnenmastes der Turmspitze neu konstruiert, sodass diese standsicher und senkrecht auf der Spitze des Rathauses türmt. Hierzu wurden spezielle Stahlbauteile interdisziplinär entworfen und montiert.
Im Zuge der Umnutzung haben wir die vorhandenen Holzbalken und Kappendecken mit dem neuen Bodenaufbauten und erhöhten Nutzlastansätzen für Versammlungsstätten erneut betrachtet. Neue Stahlbetonstützen und Stahlträger sorgen für Stabilität in dem alten Gemäuer.
Zukünftig werden im Erdgeschoss ein Tourismusbüro sowie Gastronomie einziehen, während die darüberliegenden Geschosse von den Bürgerinnen und Bürgern Rheinbergs als kultureller Begegnungsort genutzt werden können.
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